von Aconcagua » Do Nov 05, 2020 5:43 pm
klingt doch schon etwas freundlicher von der FuW:
Relief erholen sich nach positiven Studien-News
Analyse | Das Unternehmen kann seine Coronastudie nach einer Zwischenanalyse fortsetzen. Es wehrt sich gegen eine Verkaufsempfehlung, die die Aktien zuvor abstürzen liess.
Das Data Monitoring Comitee hat Daten von 102 zufällig ausgewählten, mindestens 28 Tage lang beobachteten Patienten angesehen und ist zum Schluss gekommen, dass die Studie mit dem potenziellen Medikament des Genfer Unternehmens Aussicht auf Erfolg hat. Der Entscheid der sieben Wissenschaftler im Komitee sei einstimmig gefallen. Damit hat Relief auch die zweite Interimsanalyse überstanden.
Eine erste mit den Daten von dreissig Patienten hatte bereits einen positiven Datentrend erkennen lassen. Sonst hätte das Komitee den Abbruch der Studie gefordert. Die Relief-Aktien haben am Donnerstag zunächst mehr als 40% zugelegt, nach dem Mittag ist ein Kursanstieg von rund einem Viertel gegenüber dem Vortagesschluss geblieben.
Aktie wahrscheinlich wegen Verkaufsempfehlung unter Druck
Damit notieren sie aber immer noch rund ein Drittel niedriger als zum Wochenbeginn. Die Titel standen am Dienstag und Mittwoch unter Druck. Was genau die Verluste ausgelöst hat, ist nicht sicher. Der einzig sichtbare Grund scheint aber ein Artikel in «Finanz und Wirtschaft» gewesen zu sein.
Darin wurde unter anderem eine Verkaufsempfehlung des Pharmaanalysten von Mirabaud Securities, Olav Zilian, vom Montag erwähnt. Auslöser der Empfehlung ist der Studienstopp für ein mögliches Konkurrenzprodukt, das Zilian als ähnlich einstuft. Am Freitag hatte das Unternehmen PhaseBio eine Phase-II-Studie mit seinem Wirkstoff Pemziviptadil nach einer Zwischenanalyse abgebrochen. Für die ersten 25 Patienten war kein Datentrend erkennbar.
Verwaltungsratspräsident widerspricht dem Analysten
Für Zilian handelt es sich bei den Wirkstoffen in beiden Fällen um ein vasointestinales Peptid (VIP). PhaseBio habe es noch mit einem Molekül kombiniert, das die Halbwertszeit im Körper verlängern soll. Er hält es deshalb für wahrscheinlich, dass auch RLF-100 (Aviptadil) von Relief Therapeutics Mühe bekunden wird, Wirksamkeit in der Behandlung von Covid-19-Patienten zu zeigen.
Der Verwaltungsratspräsident des Unternehmens, Ram Selvaraju, widerspricht. Er verweist auf den Entscheid des Data Monitoring Comitee. Zudem macht er unter anderem geltend, die beiden Moleküle hätten einen unterschiedlichen Wirkmechanismus. Sie dockten an zwei verschiedene Rezeptoren an. Zilian überzeugt das noch nicht. Er rät trotz der heutigen News von einem Engagement ab. «Finanz und Wirtschaft» wird demnächst einen Artikel zu den beiden Standpunkten publizieren.
Einige Anleger hatten wohl mehr erwartet
Reliefs Aktienkurs basiert auf der Hoffnung, dass der Entzündungshemmer RLF-100 schwer kranken Coronapatienten helfen kann. Wenn die laufende Phase-IIb/III-Studie keine Wirksamkeit belegt, dürfte die Aktie abstürzen. Die Resultate werden nun für Januar erwartet.
Dass der Aktienkurs am Donnerstag nicht gleich auf die vorherige Höhe zurückgeschnellt ist, mag auch daran liegen, dass einige Anleger wohl mehr vom Entscheid des Überwachungskomitees erwartet hatten. Denn mit ausserordentlich guten Daten – das heisst, wenn sie bereits statistisch signifikant gewesen wären – hätte es den vorzeitigen Abbruch der Studie empfohlen.
Nur Komitee hat Daten gesehen
Einen Antrag auf Notfallzulassung in den USA hat das Partnerunternehmen NeuroRx bereits Ende September eingereicht. Ein sehr wahrscheinlich positiver Entscheid der US-Gesundheitsbehörde FDA in wenigen Tagen wäre realistisch gewesen. Nun geht das Warten weiter, und es bleibt ungewiss, wie gut RLF-100 tatsächlich wirkt.
Details werden im Rahmen der Interimsanalyse nicht veröffentlicht. Einzig die Mitglieder des Überwachungskomitees konnten sie einsehen. Der einstimmige Entscheid zur Fortsetzung der Studie zeigt, dass offenbar niemand ernsthaft am Erfolg der Studie – also am Wirksamkeitsnachweis mit akzeptablen Nebenwirkungen – gezweifelt hat.
Zulassung auch bei mässigen Daten denkbar
RLF-100 hat in der zweiten Zwischenanalyse offenbar einen Datentrend aufgewiesen, der von eher schwach bis zu sehr gut, aber nicht überragend reichen könnte. Wenn das Signal schwach war, ist es möglich, dass der Wirkstoff am Ende die statistische Signifikanz verfehlt.
Eine Zulassung wäre auch in dem Fall denkbar. Bei der Wirksamkeit steht die Reduktion der Sterblichkeit im Vordergrund. Doch RLF-100 könnte auch einzelne sekundäre Ziele wie eine beschleunigte Genesung, die Verkürzung der künstlichen Beatmung oder eine Verbesserung des Sauerstoffgehalts im Blut erreichen. Remdesivir von Gilead (GILD 59.6809 -0.32%) hat eine Notfallzulassung erhalten, nachdem es eine raschere Gesundung, aber keine Verringerung der Sterblichkeit gezeigt hatte.
FDA kann zusätzliche Daten einbeziehen
Ausserdem könnte die FDA auch die Daten der unter dem Titel «Expanded Access» behandelten Patienten berücksichtigen, auf denen der eingereichte Antrag auf Notfallzulassung beruht. Diese Resultate legen eine überragende Wirkung nahe. Sie stammen allerdings nicht aus einer verblindeten, placebokontrollierten Studie, dem Goldstandard der medizinischen Forschung. Verblindet bedeutet, dass die Ärzte nicht wissen, wer den Wirkstoff und wer das Placebo erhält.
Nach sechzig Tagen waren 81% der 45 schwer kranken Patienten, die RLF-100 erhalten hatten, noch am Leben. In einer Vergleichsgruppe von Patienten, die im selben Spital vom selben Personal mit der Standardtherapie behandelt worden waren, hatten nur 17% überlebt.
Chancen auf kommerziellen Erfolg gedämpft
Reliefs Wirkstoff dürfte nun doch kein solches Wundermittel sein. Das scheint zumindest das letzte Zwischenresultat aus der Phase-IIb/III-Studie zu zeigen. Sie entspricht dem erwähnten Goldstandard.
Dennoch: Sollte RLF-100 schwer kranken Covid-19-Patienten nachweislich auf die eine oder andere Art helfen, wäre es ein Fortschritt. Die Chancen auf einen kommerziellen Erfolg wurden heute möglicherweise etwas getrübt, sind aber weiterhin intakt. Die Aktien von Relief Therapeutics bleiben riskant. Ein Engagement ist weiterhin Spielernaturen vorbehalten.
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