von Dilbert » Do Aug 22, 2019 1:26 pm
Merci @kosh
(M)eine hochpersönliche These: Irgendwie dauern echte Veränderungen immer länger, als gedacht: Wie lange dauert es, bis man Geld 7*24h am Automat bezog - anstatt sich in der Bank in die Schlange zu stellen? Wie lange dauert es, bis "man" elektronisch bezahlt, statt am Postschalter. Es braucht das "Aussterben" einer Generation. Möglich aber, dass gewisse Dinge nun schneller gehen: Nicht, weil plötzlich EIN FinTechler alles überragt, alles kann (Vorsorgen, Geldverkehr, Zahlen, Finanzieren, Beraten, Anlegen, ...) und alles vernetzt bietet und alles ersetzt. Sondern, weil das konventionelle Bankbusiness möglicherweise auf einen Punkt zuläuft, der die Bankenbusiness-Fragmentierung extrem beschleunigt: Die Negativzins-Landschaft.
Heute: Der Otto Normalverbraucher merkt von den Negativzinsen noch wenig. Sein auf der Bank deponiertes Geld wird i.a.R. noch wenig oder halt nicht mehr verzinst und für Kredite zahlt man einen Zinssatz. Und wenn der PK-Ausweis kommt... irgendwie ist das Vermögen ja gestiegen, weil Einzahlungen und Performance prima gemixt sind - egal. Tja, ist halt so - so weit, so normal, so weit - so träge. Aber in der Welt der "Grossen" geht schon heute Post ab, mit Folgen, die schwierig einzuschätzen sind: Ein grosses, stabiles Gebilde wie z.B. ÖRK, Pensionskassen etc. können in der CH heute z.B. 5 Mio bei einer Bank abholen.., zinslos - und dafür müssen Sie in 3 Jahren nur noch 4.9 Mio zurückgeben. Und was macht man mit der Kohle - oder Teilen davon? Man bringt Sie zu möglichst grossen Teilen z.B. der Raiffeisen Liestal-Oberhasli (die Kassenoblis zu 1.15 für 3 Jahre lancieren... um sie hinten wieder als Hypothek für 0.7% rauszulassen). Ich lachte jetzt 30 Jahre über den Spruch "Kaufe dich reich" - aber wir sind auf Ebene der "Grossen" so weit: Nimm einen Kredit auf - es macht dich reich.
mE. sind bereits jetzt weitere Zins-Schritte, tiefer in die Negativzone eingepreist... und mit Blick aufs Weltgeschehen auch realistisch. Sollte die SNB sich nun aber eines schönen Abends genötigt sehen, auf den nächsten Morgen die Negativzinsen auf 1.5% auszuweiten - dann werden Dinge losgetreten, die u.a. die Bankenlandschaft massiv verändern könnte. Nicht über Nacht - aber garantiert nachhaltig! Banken sähen sich gezwungen, die Negativzinsen auch den kleinen Kunden zur Begleichung weiterzureichen. Das Set-up dann: "Ich" soll der Bank mein Geld geben, für Kontoführung bezahlen, für Karten bezahlen, und neu auch dafür bezahlen, dass die Bank mit meinem Geld arbeitet - und ähhh... selbstverständlich auch für die Hypothek bezahlen. DAS dürfte dann endgültig Sensitivitäten treffen: Ich kann doch locker eine Gratis-Kreditkarte haben. Es gibt auch Banken ohne Kontoführungsgebühr. Zahlungsverkehr kann ich via ein Tool erledigen, über das ich alle Bankkonten anbinden kann und irgendwas Mobile-Payment-mässiges nutzen - oder wieder gratis im Dorf an den Postschalter gehen. Geld anlegen kann ich auch bei irgendeiner Bank meines Anlage-Vertrauens. Und eine Hypothek gibt's vermutlich günstiger in Läden, die die Liquiditäts-Bewirtschaftung auf Grund von Negativzinsen als notwendiges Übel mit sich führen (z.B. Versicherungen, Pensionskassen, ...) als bei Banken, die vom Zinsdifferenzgeschäft leben müssen! (Und so ganz nebenbei dürften dann Edelmetalle, Cryptos, Banktresore, Ferienhäuschen in der Toscana etc. wieder spannender werden.)
Aktuell ist es wirklich so wie im NZZ-Artikel erwähnt: Standard sind die Universalbanken und die Fintechs tun den Universalbanken noch nicht wirklich weh. Die Fintechs müssen sich aktuell ihre Kunden mit Höllen-Marketingaufwand erkaufen. m.E. ist es aber durchaus denkbar, dass im Rahmen eines Generationenwechsels der Standard kehrt: Man ist Fintech-Kunde - und die "konventionellen" Universalbanken müssten mit Höllenaufwand die Kunden "kaufen". Ihre Haupt-Rolle bestünde vermutlich schwergewichtig aus individueller Beratung.
Dilbert
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