Also am 1.Dezember waren sie noch günstiger
Eine Langfristbetrachtung über OC Oerlikons Leistung ist nicht ohne Tücken. Das Unternehmen hat in den letzten zehn Jahren zuerst eine grosse Krise durchgemacht und danach stufenweise eine Neuausrichtung erfahren, die noch nicht abgeschlossen ist. Das muss man wissen, um die Entwicklung von Bilanz und Erfolgsrechnung in dieser Zeit richtig interpretieren zu können. Denn in der dargestellten Zeitspanne wurden mehrere Geschäftsbereiche verkauft, neue hinzugekauft sowie frisches Kapital aufgenommen. Der Umsatzverlauf und die Veränderungen der Bilanzgrössen spiegeln daher nicht einfach den organischen Verlauf der Geschäfte des Konzerns.
FuW-Dossier: Die Analyse
Alle zwei Wochen unterzieht «Finanz und Wirtschaft» ein Unternehmen einer umfassenden Analyse.
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Kurz nach der Finanzkrise musste mit einer Sanierung und Kapitalerhöhung die Bilanz in Ordnung gebracht werden, um Fehlinvestitionen der Vergangenheit, die hohe Verschuldung sowie die Auswirkungen der Rezession zu bewältigen. Grossaktionär Victor Vekselberg, der seit 2008 dominierender Aktionär von Oerlikon ist, hat die Kapitalerhöhung wesentlich mitgetragen. Heute hält der russische Investor rund 43% an Oerlikon.
Daraufhin waren Verkäufe von Unternehmensteilen nötig, um Verlustlöcher zu stopfen und um sich von Geschäften mit unsicheren Perspektiven zu lösen.
Zur Beurteilung der Oerlikon-Rechnungszahlen ist ferner wichtig zu wissen, dass Oerlikon in verschiedensten Gebieten aktiv ist, weshalb die Konzernmarge ein Durchschnittswert darstellt, der wenig aussagt über die Rentabilitätsniveaus der einzelnen Geschäfte. Derzeit ist es so, dass zwei der aktuell drei Sparten kaum profitabel sind, die dritte (und grösste) dagegen eine Betriebsgewinnmarge von über 20% auf die Waage bringt.
Der Fokus wird enger
zoomNoch 2011 umfasste Oerlikon sechs Sparten, seither wurde 2012 das Solargeschäft und 2015 die Vacuum-Sparte sowie das kleine Segment Advanced Technologies verkauft. Ferner wurde aus der Textil-Sparte 2013 das Spinnmaschinengeschäft für Baumwollfasern (mit dem Markennamen Saurer) veräussert, jetzt beschränkt sich Oerlikon in diesem Gebiet auf den Bau von Anlagen für Kunstfasern und nennt die Sparte Manmade Fibers.
Die grösste und profitabelste Sparte ist heute Surface Solutions, die aus der ehemaligen Tochter Balzers hervorgegangen ist. Trug Surface Solutions 2010 erst knapp 12% zum Umsatz bei, waren es 2015 schon 46%, wobei der Kauf von Metco entscheidend dazu beigetragen hat. In diese Sparte wird auch viel investiert. 67% der gruppenweiten Forschungs- und Entwicklungsausgaben werden hier ausgegeben, im Vergleich zum Umsatzanteil weit überproportional. Von den Investitionen entfallen 62% auf diese Sparte.
zoomIm Herbst 2015, anlässlich der Ankündigung, die Sparte Vacuum an Atlas Copco (ATCO A 277.8 -1.66%) zu verkaufen, hat sich OC Oerlikon (OERL 10.8 0%) eine neue Strategie gezimmert, die noch stärker auf Surface Solutions setzt. Das Geschäft mit Oberflächenbeschichtungen und -veredelungen wächst denn auch überdurchschnittlich und war für Oerlikon bisher kaum von Zyklen geprägt.
Ganz anders die Sparte Manmade Fibers. Als klassisches Anlagenbaugeschäft ist sie hochzyklisch. Wurde 2014 hier noch ein Umsatz von über 1 Mrd. Fr. und eine Ebitda-Marge von 20,3% erzielt, dürfte der Umsatz letztes Jahr auf etwas über 500 Mio. Fr. gesunken sein, die Ebitda-Marge betrug per Mitte Jahr noch 3%. Nach einer Phase der Überinvestition im Rahmen des chinesischen Fünfjahresplans – China ist mit Abstand grösster Markt für Kunstfaseranlagen – wurden im neuen Plan ab 2015 die Gewichte anders gelegt, worauf die Nachfrage einbrach. Oerlikon erwartet erst für 2018 eine Erholung. Immerhin signalisieren die Zahlen, dass Oerlikon die Kosten im Griff hat: Mit einer Umsatzhalbierung immer noch den Breakeven zu schaffen, ist eine solide Leistung.
zoomDrive Systems, das dritte Segment, leidet schon länger unter Profitabilitätsproblemen. Die Baisse der Rohstoffpreise ab 2014 hat die Mängel dann offengelegt. Denn Drive Systems produziert unter anderem Getriebe für schwere Bergbau- und Landmaschinen, die nach dem Preiseinbruch weniger nachgefragt waren. Doch gibt Oerlikon heute selber zu, dass man in diesem Markt zu wenig gut positioniert ist. Deshalb musste 2015 der noch verbliebene Goodwill auf diesem Geschäft abgeschrieben werden. Jetzt läuft ein Restrukturierungsprogramm, das die Profitabilität wieder herstellen soll – um Drive Systems dann verkaufen zu können. Denn in die neue Konzernstrategie von Oerlikon passt dieses Geschäft nicht mehr.
KGV nur optisch hoch
Die Mittel daraus dürften dann wiederum in die Oberflächentechnik fliessen. Oerlikon hat hier ein neues, an bestehendes Know-how angrenzendes Expansionsgebiet ausgemacht: den 3D-Druck auf Metallbasis. Das Unternehmen will langfristig zu einem bedeutenden Hersteller von geeignetem Material und zu einem Auftragsfertiger für 3D-Metallteile werden. Erste kleinere Übernahmen in diese Richtung wurden bereits vorgenommen.
Das eröffnet den Oerlikon-Aktien neue Perspektiven. Doch der Gewinn in den nächsten Jahren wird noch massgeblich vom Turnaround in Manmade Fibers und Drive Systems geprägt. Das optisch hohe Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25 für 2017 darf nicht überbewertet werden, denn zwei der drei Sparten tragen noch kaum Gewinn bei. Deshalb ist der Kauf der Aktien auch auf diesem Niveau noch empfehlenswert.