Cosmo-Gründer Mauro Ajani fing mit 19 als kleiner Verkäufer von Medikamenten in Italien an. Er besuchte Ärzte, verteilte Muster. Das war sein Start in der Pharmabranche, ein Hochschulstudium gab es nicht für ihn. Der Italiener hat es weit gebracht. Als Präsident von Cosmo ist er heute massgebend an einer Firma beteiligt, die an der Schweizer Börse 2,3 Mrd. Fr. wert ist.
Dabei wollte Ajani 1997 einfach nur sein Geschäft verbreitern, als er für 1,5 Mio. € eine Anlage zur Herstellung von Medikamenten mitsamt der vierzigköpfigen Mannschaft in Lainate bei Mailand kaufte. Im Laufe der Jahre hatte er schon die grösste selbständige Verkaufsorganisation für Medikamente in Italien aufgebaut. Jetzt sollte die Generika- und Kontrakt-Herstellung dazukommen.
Bei der Ausführung eines dieser Fremdaufträge dämmerte es Ajanis Team, dass durch eine verbesserte Darreichungsform ein Produkt gegen Entzündungen im Darm viel effektiver wirken würde. Die Technologie dafür entwickelt Cosmo selbst. Zusammen mit dem Anbieter der ursprünglichen Tablette bringen sie 2001 das Produkt auf den Markt. Die Nachfrage sprengt alle Erwartungen. Inzwischen erzielt das Medikament mehr als 600 Mio. $ Umsatz.
«Finde mir 20 Millionen Euro»
Der Erfolg beflügelt, obwohl Cosmo nur begrenzt am Umsatz beteiligt wird. Ajani will nun ein Medikament allein entwickeln. 2004 beginnt er mit der Suche nach Geld.
«Ich war damals in einer schwierigen Phase», erinnert sich Chris Tanner, seit 2007 Finanzchef vom Cosmo. Der in Kolumbien geborene Schweizer hatte als hochrangiger Banker bei der Schweizerischen Bankgesellschaft und später als Partner der A&A Bank eine steile Karriere erlebt. Doch nach dem Unfalltod des A&A-Bank-Gründers Ernst Müller-Möhl Mitte 2000 und dem Platzen der Internet-Blase verliert er in den Turbulenzen den grössten Teil seines Vermögens, wie er freimütig bekennt.
Ein befreundeter Vermögensverwalter vermittelt den Kontakt zu Ajani. «Er sagte zu mir: Finde mir 20 Mio. €», erinnert sich Tanner und schüttelt den Kopf. Er hatte zwar im Lauf der Jahre ein internationales Netzwerk geknüpft, aber ausgerechnet in der Biotech-Szene kennt er sich nicht gut aus. Nochmals hilft der Freund und stellt ihm Friedrich von Bohlen und Halbach vor. Von Bohlen hatte an der ETH Neurobiologie studiert und eine Biotechfirma in den USA an die Börse gebracht. Doch 2001 sterben wichtige Mitarbeiter beim Terroranschlag auf die Twin Towers. Seine Firma gerät ins Stocken, er tritt zurück. In Europa sucht auch er den Neuanfang.
Der Finanzfuchs und der Biotech-Unternehmer etablieren eine Partnerschaft. Sie gehen mit drei geldsuchenden Biotech-Firmen auf Dietmar Hopp zu, den Mitbegründer des Softwarekonzerns SAP. Und sie landen einen Volltreffer. Der Milliardär steigt bei Cosmo mit 10 Mio. € ein, und dank ihm kommen weitere Investoren. 2005 steht die erste Finanzierungsrunde von Cosmo mit über 20 Mio. €. Tanner hat das Geld für Ajani beschafft.
Der ist begeistert. Er steckt das Geld wie geplant in die Entwicklung eines eigenen Mittels gegen Darmentzündungen. «Das war für Cosmo Neuland. Ajani hat nächtelang über den Studienprotokollen gebrütet, um die richtigen Schlüsse zu ziehen», erinnert sich Tanner. Als 2007 die ersten, guten Daten für das Medikament vorliegen, wagt man in der Schweiz den Börsengang. Tanner übernimmt den Job als Finanzchef. Bis heute bilden Ajani (40%), das Management (8%), die Hopp-Beteiligungsgesellschaft (7%) sowie die Herz AG (knapp unter 10%) den Kern des Aktionariats.
2013 bekommt das Medikament Uceris die Zulassung in den USA, und die Cosmo-Aktie startet durch. Das Unternehmen hat in acht Jahren drei Produkte lanciert und den Aktionären 700% an Wertzuwachs beschert.
Uceris war nicht nur in finanzieller Hinsicht ein Katalysator. Auf dem Weg zur Entwicklung entdeckt die Cosmo-Truppe, inzwischen auf 167 Personen angewachsen, weitere Verbesserungsmöglichkeiten zur Behandlung von Darmerkrankungen. «Wir suchen Gelegenheiten, die sich bei tiefem Risiko verwirklichen lassen», erklärt Tanner den Ansatz.
Blauer Hoffnungsträger
Eine Tablette mit dem blaufärbenden Wirkstoff Methylene Blue ist so eine Chance mit tiefem Risiko. Die Farbe hilft bei Vorsorgeuntersuchungen, um im Darm Polypen zu finden. Die Handhabung der Flüssigkeit ist aber umständlich. Die nur im Darm färbende Cosmo-Tablette würde den Aufwand senken. Dazu hat die Firma noch eine gelierende Lösung entwickelt, die der Arzt unter entdeckte Polypen in die Darmwand spritzen kann, um das Abschaben ohne gefährliche Verletzung des Darms zu erleichtern. Die Lösung soll in den USA in diesem Jahr zugelassen werden.
Analyst Peter Welford von Bankhaus Jefferies deckt als einziger Finanzanalyst den Titel ab. Die Tatsache, dass Jefferies Cosmos Hausbank ist, dürfte da eine Rolle spielen. Grundsätzlich sehr positiv eingestellt, sieht Welford den Aktienpreis im besten Fall von zurzeit 160 auf 215 Fr. steigen. Verbessert die blau färbende Tablette die Entdeckungsrate von Polypen aber nicht deutlich, könnte der Kurs nach seinen Schätzungen auf 100 Fr. abstürzen.
Pharma-Finanzanalyst Bob Pooler von Valuation Lab verfolgt die Entwicklung von Cosmo Pharmaceuticals ebenfalls seit Jahren. «Sie sind sehr offen bei der Darstellung ihrer Pläne», urteilt er und hält fest: «Sie haben auch immer geliefert.»
Trotzdem ist die Frage, wie Cosmo sich weiterentwickelt, nicht einfach zu beantworten. Neben der Ausweitung der Produktepalette hat die profitable Firma einige steuer- und finanzgetriebene Deals geschlossen. Bisher sehr erfolgreich. So fliessen in die Gewinnrechnung 2014 operative Gewinne von 22 Mio. € ein. Der grössere Teil des Profits in Höhe von 73 Mio. € stammt aber aus dem Verkauf einer Beteiligung.
Es gab auch Misserfolge zu verkraften: Der angestrebte Zusammenschluss mit dem US-Unternehmen Salix, welches in den USA den Vertrieb der Darm-Produkte übernehmen sollte, fiel 2014 ins Wasser. Nun muss Cosmo, das seinen Sitz selbst gerade nach Luxemburg verlegt hat, neue Lösungen finden.
Eine Verselbständigung der Sparte zur Behandlung von Darmerkrankungen mit Börsengang in den USA ist laut Ajani eine Option. Auch die Kooperation mit einem Vertriebspartner käme infrage. «Idealerweise finden wir mittelgrosse Partner, die uns mit Aktien an ihrer Entwicklung beteiligen», erklärt Tanner das Konzept. So würde Cosmo gern zu einer Art Beteiligungsgesellschaft werden, die aber am Produktionssitz Lainate permanent neue Ideen ausbrütet.
Ein erfolgreicher Börsengang von Cassiopeia (siehe Box) würde weitere Optionen eröffnen: Mit dem Geld könnte in den USA auch eine eigene Verkaufstruppe für den Gastrointestinal-Bereich aufgebaut werden. «Es gibt viele bewegliche Teile in den Plänen. Das macht die Einschätzung der kurzfristigen Aussichten schwierig», sagt Bob Pooler.
Andere Pharma-Analysten sind skeptischer: «Angesichts der vielen Optionen muss sich ein Investor fragen, was er in einem halben Jahr in der Hand hat», sagt ein Pharma-Analyst, der sich nicht namentlich zitieren lassen will. «Mir sind der Sitzwechsel aus Fusions- und Steuergründen, die Beteiligungen an Firmen und die Verkäufe dieser Beteiligungen sowie die Pläne für Börsengänge in den USA und der Schweiz zu komplex», sagt er.
Chris Tanner kennt diese Klage. «Zu unserer Idee mit den Partnerschaften, die uns über Aktien am Erfolg beteiligen, gibt es keine vergleichbaren Vorlagen», bestätigt er. «Aber das heisst deshalb ja nicht, dass es nicht gut funktionieren kann.»