von Aconcagua » Mo Apr 20, 2015 8:31 am
spannend finde ich v.a. dass man schneller wächst als z.B. Line... hat in der Printausgabe noch ein spannender Chart Myriad vs: Line.
Es kommt nicht oft vor, dass Investoren ein Gespräch mit dem CEO eines Unternehmens unterbrechen – um zu gratulieren. Beim Interview von «Finanz und Wirtschaft» mit Stephen Dunford geschieht das gleich drei Mal. «Nicht geplant», wie der Chef des Softwareherstellers sagt. Prominentester Gratulant nach der Generalversammlung am Dienstag: Martin Ebner. Der Banker, Investor und Ankeraktionär von Myriad (MYRN 5.25 -1.87%) hat Langmut bewiesen. Mehr als einmal stand das Unternehmen am Rande des Ruins. Jetzt sollen bessere Zeiten aufziehen. «Die Restrukturierung des Geschäfts ist vor Plan abgeschlossen», erklärt Dunford. Ab nächstem Jahr soll die Messaging-App msngr zum Gewinn beitragen. Investoren brauchen aber immer noch eine gehörige Portion Appetit auf Risiko.
Die erste Beteiligungsmeldung der Schweizer Börse von Ebners Beteiligungsvehikel über 5,82% stammt aus dem Jahr 2007. Heute hält Patinex 25,16%. Damals hiess die Gesellschaft noch Esmertec und war auf Software für einfache Handys und TV-Settop-Boxen spezialisiert. Die Umfirmierung folgte zwei Jahre später. Den Siegeszug der Smartphones hat Myriad verschlafen – und ist so in schwere Fahrwasser geraten. Ein neues Management unter der Führung von CEO Stephen Dunford versucht seit drei Jahren den Umschwung. Der CEO setzt auf das Hype-Thema Messaging: Mit einer App für Handys und Smartphones, mit der sich kostenlos Kurznachrichten senden lassen, will Myriad Kunden für sich gewinnen, vor allem in Lateinamerika. Werbepartnerschaften sollen das Programm zum finanziellen Erfolg führen.
Rosskur für Myriad
Dunford und sein Team haben Myriad einer Rosskur unterzogen. Von mehr als 500 Mitarbeitern im Jahr 2012, als das neue Managementteam angetreten ist, sind nur noch 172 bei Myriad beschäftigt. Bis auf eine Repräsentanz sind alle Geschäfte in der Schweiz geschlossen. Das Hauptquartier befindet sich offiziell zwar in Zürich, allerdings an der Adresse einer Anwaltskanzlei. Myriad wird von London aus geführt. Der CEO spricht von jährlichen Einsparungen in Höhe von mehr als 20 Mio. $ dank der Restrukturierung.
Mehr noch: Erstmals seit der Gründung der Gesellschaft sei im vergangenen Jahr ein Gewinn angefallen, so Dunford, wenn auch ein bescheidener von 8,1 Mio. $. Der Umsatz erreichte 40,2 Mio. $. Ergebnisträger sind die beiden angestammten Bereiche, in denen Software für einfache Handys und TV-Settop-Boxen entwickelt wird. Trotz Ausrichtung auf den msngr gebe es derzeit keine Pläne, einen dieser Bereiche zu verkaufen, sagt Dunford. Egal. Die Investoren freuen sich über den Leistungsausweis: dass es Myriad endlich gelingt, die Gewinnzone zu erreichen. Für dieses Jahr indes rechnet CFO Richard Francis wieder mit einem Verlust. Das jüngste und wachstumsstärkste Produkt, der msngr, soll durch Investitionen ins Marketing in die schwarzen Zahlen geführt werden. Zudem ist der Kurznachrichtendienst die Hoffnung für Myriad, dass sich vielleicht einmal ein Käufer für sie interessieren könnte.
«msngr» birgt M&A-Fantasie
Das Myriad-Management hat einen M&A-Hintergrund. Allein in der Vita von CEO Dunford stehen drei IT-Unternehmen, die erfolgreich akquiriert worden sind. Verwaltungsratspräsident Erik Hansen hat die ehedem ebenso in der Schweiz kotierte Day Software im Jahr 2010 an Adobe verkauft. Für Myriad könnten sich Messaging- und Social-Media-Anbieter aus USA oder Asien interessieren, wird in Investorenkreisen spekuliert. Dort werden noch immer hohe Preise für solche Dienste gezahlt. Snapchat, ein Service, um über Bilder zu kommunizieren, wurde im Februar auf knapp unter 20 Mrd. $ taxiert. Pinterest, ebenso ein visueller Social-Media-Dienst, kam im März auf 11 Mrd. $. Spätestens seit dem Kauf von WhatsApp durch Facebook (FB 80.775 -1.86%) für 19 Mrd. $ im vergangenen Jahr ist Fantasie in der Szene – manche sprechen von einem Hype. «Ich sehe uns nicht in einer Blase», sagt Dunford. «Ich sehe jetzt die Chance, unser Angebot zu monetarisieren.»
In einem ersten Schritt hat Myriad dazu Nutzer für die eigene Plattform begeistert. Südamerikanische Mobilfunkgesellschaften bieten ihrer Klientel den msngr an, meist unter eigenem Logo. Für viele Nutzer ist der Dienst gratis, das msngr-Datenvolumen wird nicht berechnet. Myriad weist 171 Mio. Nutzer in Lateinamerika aus, ein Anstieg von 242% seit vergangenem Jahr. Die Wachstumsraten haben sich von Quartal zu Quartal verlangsamt, liegen mit jüngst +22% aber noch im zweistelligen Bereich. Nach eigenen Angaben kann Myriad auf dem Kontinent 70% aller Mobilfunknutzer erreichen, da die App auch auf simplen Handys läuft. Gemäss Ericsson (ERIC B 107.3 -1.83%) Mobility Report gibt es 720 Mio. Mobilfunkverträge in Lateinamerika. Das würde einem potenziellen Markt für Myriad von einer halben Milliarde Kunden entsprechen. WhatsApp, so heisst es aus unternehmensnahen Kreisen, könne dort höchstens 220 Mio. Kunden bedienen, da ihre Software nur auf Smartphones läuft. Dennoch ist WhatsApp die Nummer eins auf dem Kontinent, Myriad sieht sich «wahrscheinlich» unter den Top drei.
Afrika und die USA im Visier
Myriad will künftig Hispanoamerikaner auch in den Staaten erreichen. «Wir schauen uns darüber hinaus die Möglichkeiten an, den msngr nach Afrika zu bringen», sagt Dunford. Die Zahl monatlich aktiver Nutzer, eine in der Branche übliche Kennziffer, nennt die Gesellschaft nicht. Vielmehr sollen demnächst Zahlen veröffentlicht werden, wie aktiv die msngr-Nutzer auf der Plattform sind, beispielsweise wie viele Musikvideos sie untereinander tauschen oder wie viele Kino-Trailer sie schauen. «Das sind für uns die wichtigeren Kennzahlen», so Dunford.
Die msngr-Nutzer sollen nun dazu gebracht werden, die Inhalte der App anzuschauen, untereinander auszutauschen, und so eine interessante Plattform für Werbetreibende bilden. In Mexico gibt es solche Content Channels schon. Die lokale Musikband Maná habe ihr neues Album auf msngr beworben und in nur fünf Tagen 85 000 Fans begeistert. Gelder aus einer Privatplatzierung über 34,4 Mio. Fr. von Anfang April sollen grösstenteils dafür verwendet werden, solche Content Channels in ganz Lateinamerika zu etablieren und spannende Anbieter von Inhalten wie Kinoketten, Prominente oder Musiker zu msngr zu holen. Seit 2010 hat sich Myriad über ein halbes Dutzend Privatplatzierungen und Kapitalerhöhungen frische Mittel besorgt. «Es gibt keine weiteren Pläne, Gelder einzuwerben», sagte CFO Francis auf der Generalversammlung.
Noch immer deutliche Mängel
Die Story von Myriad wird rund. Das Unternehmen hat allerdings noch deutliche Mängel, beispielsweise in Sachen Transparenz. Auch hier wird Besserung gelobt. In den nächsten Wochen treten Vertreter der Gesellschaft an mehreren Investorenanlässen auf. Eine Abdeckung durch Finanzanalysten wird angestrebt. Auf Sicht von zwei Jahren liegen Myriad 38% im Minus. In den vergangen zwölf Monaten allerdings sind sie 265% gestiegen, seit Anfang Jahr 17%. Viel von der weiteren Entwicklung hängt davon ab, ob die Gesellschaft einen Käufer findet. Noch ist die Braut nicht hübsch genug. «Bau es auf – und sie werden kommen», sagt Dunford pragmatisch. Geht die M&A-Spekulation auf, könnten noch höhere Kurse für Myriad drin sein. Verschlechtert sich die Wirtschaftslage, würde sich das M&A-Fenster für das Unternehmen allerdings wohl vorzeitig schliessen. Und um allein auf eigenen Füssen zu stehen, ist die Gesellschaft noch immer nicht gross genug.
0 Personen gefällt dieser Post.